Unterrichtsmethodik

Geschichte mal anders: Lernen mit einem digitalen Blog

von Geschichtsheft SMZ • Johannes Gienger
Für einen Lehrer in der Funktion eines Leiters eines Stadtmedienzentrums ist es durchaus naheliegend, nicht nur Medien an die Schulen zu bringen, sondern den eigenen Alltagsunterricht medien-/computergestützt zu organisieren. Johannes Gienger hat den Geschichtsunterricht in Klasse 8 mit einem eigenen Blog begleitet und diesen damit von außen zumindest in Teilen durchsichtig gemacht. Der vorliegende Erfahrungsbericht versteht sich als konstruktiver Beitrag zu der immer noch heftig umstrittenen Frage, ob Computer in der Schule überhaupt und, wenn ja, ab welcher Altersstufe und in welchem Umfang eingesetzt werden sollten und ob ein computergestützter Unterricht pädagogische, didaktische und/oder lernpsychologische Vorteile bietet.

Unterrichtsmethodik: Der Blog als Leitfaden für den Geschichtsunterricht

Der Blog www.geschichtsheftsmz.wordpress.com war der Blog des Lehrers, der den Schülerinnen und Schülern als Vorlage („Tafelanschrieb“) diente. Die Schülerinnen und Schüler kopierten die Materialien des Lehrerblogs in ihren individuellen Blog und ergänzten die Vorlage mit ihren eigenen Beiträgen gemäß den Arbeitsaufträgen. „Copy-Paste“ stellte sehr bald keine Herausforderung mehr dar. Allerdings: Nur die individuellen Beiträge der Schülerinnen und Schüler in ihren eigenen Blogs wurden am Ende wie eine Klassenarbeit bewertet.

Nach der Übernahe von Inhalten durch Kopieren war das Hauptanliegen, die individuelle Initiative (Recherche, Kreativität, Aktivität der Schüler/innen) zu fördern. Dazu wurde eine Reihe Arbeitsformen erprobt, die im Folgenden kurz anhand von Beispielen skizziert werden:

  • Gemälde König Ludwig XIV: Bildbeschreibung sowie bereitgestellter Film als Ausgang einer fiktiven Rede bzw. eines Tagebucheintrags Ludwigs zu seinem Regierungsantritt (Kompetenz: strukturiertes kreatives Schreiben, Einnahme einer Perspektive).

  • Führung durch das Schloss Ludwigsburg (Absolutismus) mit Tonaufnahmen/Handy, die dann die Grundlage für einen eigenen Bericht darstellen (Kompetenz: strukturiertes Schreiben, Einsatz von Technik zur Lernförderung).

  • Suche im Internet nach Bildern von Schlössern (Absolutismus) und Einbau der Bilder in eine Galerie (Kompetenz: Internetrecherche, Copyright-Problematik, internationaler Charakter des Absolutismus).

  • Internetrecherche (freiwillige Hausarbeit) nach Filmclips zum Thema auf YouTube, http://www.planetschule.de, ZDF Mediathek, Arte. In die Bewertung des Blogs fließt die Hausaufgabe nur ein, wenn der Film mit einer Zusammenfassung verbunden wird (Kompetenz: Internetrecherche nach Qualitätskriterien, Förderung der Eigeninitiative).

  • Film als Informationsquelle und schriftliche Zusammenfassung der Informationen nach vorgegebenen Fragestellungen. Die Fragen zum Film (ähnlich einem Arbeitsblatt) wurden wie bei anderen Themen vor dem Unterricht in den Lehrerblog eingestellt und zu Beginn der Unterrichtsstunde von den Schüler/innen in den eigenen Blog kopiert. Die Antworten wurden gemeinsam z. B. nach Filmbetrachtung erarbeitet. Eine Schülerin schrieb die Antworten zeitgleich in den projizierten Lehrerblog (Beamer) – eine ganz wesentliche Arbeitserleichterung für die Lehrkraft, die sich besser auf die Klasse konzentrieren konnte (Kompetenz: Strukturierte Erfassung und bildliche Darstellung von Informationen).

  • Fragend-entwickelnder Unterricht zu möglichen Ursachen der Französischen Revolution unter Bezugnahme erarbeiteter Kenntnisse zum Absolutismus: Die erarbeiteten Informationen werden gleichzeitig in die Schülerblogs eingetragen (Kompetenz: Diskussion und strukturierte Erfassung von Information).

  • Lehrervortrag mittels Powerpoint zu „Lage der Bauern im Feudalismus“: Die Powerpoint-Präsentation wird als Vorbereitung des Unterrichts im Lehrerblog eingestellt und für den Vortrag aus dem Internet geladen. Die Schüler/innen übernehmen die Präsentation durch Download/Upload in ihren Blog und sichern so die Arbeitsergebnisse (Kompetenz: konzentriertes Erfassen von Inhalten und Ergebnissicherung).

  • Einbetten eines Filmclips (YouTube) zu aktuellen Feiern zum 14. Juli (Nationalfeiertag der Franzosen) in die Blogs (Französisch): Aufgabe der Schüler/innen bestand darin, einen Nachrichtentext zu den Bildern auf Deutsch zu erstellen. Dabei sollte die Bedeutung der Französischen Revolution dargestellt werden. Die Aufgabe war durchaus originell, war allerdings altersbedingt von den Schüler/innen kaum zu bewältigen (Kompetenz: Erkennen von Unterschieden zwischen Schreib- bzw. Sprechertext).

  • Powerpoint-Präsentationen, -Steckbriefe, -Lebensläufe zu einzelnen Revolutionären (Kompetenz: Internetrecherche, Copyrightproblematik, Powerpoint-Vortrag vor Klasse; Förderung der Orientierungskompetenz, Verstehen der Französischen Revolution als wichtiger Markstein auf dem Weg zur Gegenwart, Multiperspektivität).

  • Bereitstellung von Karten im Internet zu Napoleons „Flurbereinigung“ der deutschen Landkarte: Die Schüler/innen übernehmen die Karten in ihren Blog einschließlich der Fragen (Arbeitsblatt). Gemeinsame Bearbeitung der Fragen (Kompetenz: Kartenarbeit mit verschiedenen Karten).

  • Übernahme/Kopie der Schaubilder zum Wiener Kongress in die Schülerblogs: Schüler erstellen (arbeitsteilig) Zeitungsartikel aus verschiedenen nationalen Perspektiven (Kompetenz: Vermittlung von Multiperspektivität im Fach Geschichte, Textarbeit).

  • Erarbeiten von Flugblättern (Arbeiter, Handwerker, Unternehmer …) hinter den Barrikaden von 1848 (Kompetenz: Erkennen interessengelenkter Perspektiven politischer Äußerungen, Orientierungskompetenz, Diskussion, strukturierte Texterstellung).

  • Erstellen von Unternehmerbiographien (individuell) nach vorgegebener Liste (Thema „Industrialisierung“): Internetrecherche mithilfe von Wikipedia und Umschreiben der Wikipedia-Artikel in Ich-Form. Ratespiel bei Präsentation der Biographien, da der Name des Unternehmers durch die Klasse erschlossen/erraten werden sollte (Kompetenz: individuelle Recherche und Texterstellung).

Technische Voraussetzungen

Der Unterricht (Doppelstunde) fand durchgängig im Computerraum der Schule statt. Laptops oder Tablets waren nicht vorhanden, so dass ein gewisser Lärmpegel (26 Computer) im Computerraum unvermeidlich in Kauf genommen werden musste. Als Vorteil erwies sich die Aufstellung der Computer in U-Form, da so der Überblick für den Lehrer erleichtert wurde. Der Raum hatte keine elektronische Tafel, und die Computer waren mit Laufzeiten von 5 bis 7 Jahren störungsanfällig, d. h. einzelne Rechner fielen immer wieder mal aus. Technische Mängel waren für ein erhebliches Maß an Reibungsverlusten verantwortlich.Dennoch wurde das ganze Schuljahr im Computerraum bestritten und basierend auf den Bildungsstandards gearbeitet. Der letzte Teil mit den Themen „Kaiserreich“ und „Erster Weltkrieg“ wurde aufgrund von Unterrichtsausfall (Termine, Klassenfahrten) nicht mehr behandelt, allerdings vom Autor als Unterrichtsskizzen im Blog ergänzt. 

Blog statt Heft

Die Schülerinnen und Schüler konnten die Unterrichtsergebnisse entweder mit einer auf dem Tauschverzeichnis des Schulservers abgelegten Textdatei oder mithilfe eines Blogs im Internet individuell festhalten. Die meisten Schülerinnen und Schüler entschieden sich für einen Blog statt einem Heft bzw. einer Textdatei. Die Blogs konnten auf „privat“ (Passwort) oder „öffentlich“ und so für die Mitschüler/innen zugänglich geschaltet werden.

Nerviges aus dem Alltag

Eine Kontrolle von außen mit Korrekturhinweisen per E-Mail erwies sich als notwendig und förderlich für die Qualität der Blogs. Allerdings entstand dadurch für den Lehrer einiger Arbeitsaufwand. Für Verwirrung sorgte vor allem am Anfang, dass bei Blogs – anders als bei einem Schreibheft – die neuesten Eintragungen immer an oberster Stelle erscheinen. Die „richtige“ Reihenfolge der Blogeinträge wie im Schreibheft war nur durch eine „Manipulation“ des Publikationszeitpunktes möglich. Manche Schülerinnen und Schüler hatten bis zum Schluss Probleme mit der richtigen Reihenfolge ihrer Beiträge. Die Daten für die Veröffentlichung sind daher alle fiktiv und sollen lediglich sicherstellen, dass die Beiträge in der richtigen Reihenfolge – wie im Schulheft – erscheinen. Hier hätte eine andere Einstellung im Blog geholfen.

Potenziale für die Medienbildung

Das Schulheft durch einen Blog zu ersetzen, bietet die Möglichkeit einer multimedialen Gestaltung, was bei einer Reihe von Jugendlichen die Motivation deutlich und größtenteils auch nachhaltig verstärkte sowie kreative Neigungen weckte. So ist beispielsweise eine Animation zum Schlossbau von Versailles (s. Video) eben wesentlich anregender als ein Bild im Buch. Neben Filmclips können Bilder, Bilderserien, Tondateien und von den Schülerinnen und Schülern selbst erstellte Film- oder Tondateien in den jeweiligen Blog eingebaut werden. Selbst bei der Texterstellung schien der Blog eher zu beflügeln. Konsequent weiterentwickelt nimmt die Arbeit der Lernenden konstruktivistische Züge an. Dies geschieht vor allem dann, wenn die Schülerinnen und Schüler themenorientiert eigene multimediale Produkte erstellen und einbinden. Vorteilhaft war der Umstand, dass die Blogs von zu Hause aus von den Schülerinnen und Schülern bearbeitet und von der Lehrkraft von zu Hause aus korrigiert bzw. begleitet werden konnten. Der Lehrer gab per E-Mail Impulse, wobei es galt, den Eindruck einer Dauerkontrolle zu vermeiden.

Spielraum für Effizienz

Zwar ist die Erstellung des Blogs für ein ganzes Schuljahr recht aufwendig, doch kann ein einmal erstellter Blog kopiert sowie die im ersten Durchgang erarbeiteten Ergebnisse gelöscht werden und damit als Grundlage für den nächsten Einsatz dienen. Der Lehrer setzt vorhandene 

Powerpoint-Präsentationen, beispielsweise zum Thema „Grundlagen des Feudalismus“, direkt aus der Internetseite (Blog) geladen erneut ein. Dieses Verfahren konnte bisher noch nicht getestet werden, verspricht aber eine deutliche Effizienzsteigerung. 

Fazit

Genauso wie demokratische Rituale (Diskussion, Entscheidung durch Mehrheiten, Kompromisse, Zivilcourage…) in einer demokratischen Zivilgesellschaft von klein auf eingeübt werden müssen, ist der Einsatz des Computers in einer digitalen Welt als Lern- und Lehrinstrument unumgänglich und  bietet – durchdacht und gezielt eingesetzt – deutliche Vorteile hinsichtlich Motivation und Lernerfolg. Voraussetzung ist allerdings eine zuverlässige technische Ausstattung und Betreuung der Schule – was leider nach wie vor oft in gravierendes Problem darstellt.

https://youtu.be/N2hoOMmXeyk
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